Radis

Im Dreißigjährigen Krieg wurde bei einer Brandschatzung des Ortes auch die Kirche vernichtet, wobei auch alle Kirchenbücher zum Raub der Flammen wurden. Nach 1648 wurde das Gotteshaus samt Turm wieder aufgebaut. Letzterer erwies sich jedoch sehr baufällig. Als im Mai 1871 die innere Mauer des Turmes einstürzte, wurde der Turm samt Glockenstuhl abgetragen. Am Eingang des Pfarr- und Kirchgeländes wurde der Glockenstuhl neu aufgestellt und mit einem hölzernen Fachwerkhaus überdacht und eingehaust, um ihn vor Wind und Regen und Schnee und äußeren Zugriffen zu schützen. Hier hängen heute noch zwei Glocken.

 

Die Größte von ihnen, die Älteste, stammt aus dem 14. Jahrhundert und die Inschrift lautet: „Vas Deus hoc signa, plesb salvasit, aura benigna“. Diese Glocke ist eine „kleine“ Besonderheit. Der Spruch ist in Form eines Hexameters angelegt – und zwar zweisilbig leoninisch gereimt. Zudem befinden sich in dem Spruch kreuzgeschmückte Alphas und Omegas. In der Fachliteratur u.a. bei Martina Voigt „Die Inschriften der Stadt Zeitz“ ist zu lesen, dass es ähnliche Glockensprüche nur auf ca. 50 Glocken auf der geographischen Linie Leipzig-Querfurt-Magdeburg-Dessau-Leipzig gibt. Diese Glocken werden dem sogenannten „Seeburger Meister“ zugeschrieben. Die Spruch kann wie folgt übersetzt werden: „Segne, oh Gott, diese Glocke, das Volk sei wohl, die Luft gesund“ Auf der zweiten Glocke kann man lesen: „Zu Ehren der heiligen Drey Faltigkeit hat Otto Wilke von Bodenhausen uf Rais diese Glocke gießen lassen von Meister Geroge Billich in Kembergk, Anno 1655“. Otto Wilke von Bodenhausen lebte von 1601 bis 1664 und wurde „Herr auf Radis und Wülfingerode“ genannt. Bodenhausen ist der Name eines alten ursprünglich niedersächsischen Adelsgeschlechts, deren erste Erwähnung in einer Urkunde von 1135 wieder zu finden ist. Später gelangten die Herren von Bodenhausen auch in Hessen, Braunschweig, Anhalt, Sachsen und Preußen zu Besitz und Ansehen. Zweige der Familie bestehen bis heute und feierten im letzten Jahr ihr Familienfest in Radis. Dass diese zwei Glocken die Kriege überlebt haben und nicht eingeschmolzen wurden, können wir heute als Wunder werten. Dies verpflichtet uns als Gemeinde und als Ort, diese historischen Glocken zu erhalten und zu pflegen. Da die Umhausung des Glockenstuhles jedoch vom Wettereinflüssen zerstört ist, bemüht sich die Kirchengemeinde seit vielen Jahren, diesen zu sanieren. Erst fehlte das nötige Kleingeld. Die Kommune Radis hatte schon 2008 ihre Hilfe zugesagt, doch erst 2011 kam die Fördermittelzusage von Lotto - Toto hinzu. Doch leider ging es nicht sogleich los, denn wir mussten mit Entsetzen feststellen, dass eine Sanierung nicht mehr in Frage kam, da die Umhausung zu marode geworden war. Einen Neubau der damaligen Notlösung - obwohl manchem Auge angenehm, schien auch nicht zeitgemäß. Somit beschloss der Gemeindekirchenrat einen Neubau, der den wunderschönen alten Glockenstuhl nicht nur schützt, sondern ihn auch noch besonders hervorhebt, so dass viele sich ihn anschauen können. Und somit begann alles von vorne - Architekten, Modelle und Möglichkeiten mussten gefunden und ausgewählt werden und mit den Fördermittelgebern verhandelt werden, dass sich der Abrechnungszeitraum verschiebt. Doch nach vielem Hin - und Her und so mancher Verzögerung geht es nun endlich los. Unter Federführung der Architektin Frau Faber aus Gräfenhainichen und des Statiker Herrn Pabst aus Wittenberg und des Bauberaters unseres Kirchenkreises, Herrn Schumann wird nun eine neue Umhausung des Glockenstuhles gebaut. Während der Gespräche über den Neubau der Umhausung entstand der Gedanke, die Glocken zu elektrifizieren und die kaputte Glocke zu sanieren. Dabei wurde erneut deutlich , dass die Glocken damals falsch aufgehangen wurden und bei Richtigstellung einen bedeutend besseren Klang haben. Und so beschloss der Gemeindekirchenrat eine weitere Baumaßnahme, die von der oben genannten getrennt ist, aber dennoch parallel dazu verlaufen kann und so manches vereinfacht. Entsprechende Vorkostenanschläge wurden schon eingeholt, Genehmigungsverfahren eingeleitet. Wir hoffen, dass genügend Spenden aufkommen. Falls nicht, wird die Gemeinde einen Kredit in Höhe von 17.000 EUR aufnehmen müssen. Doch in Anbetracht, dass schon viele Jahre um den Glockenstuhl gerungen wird, erschien es den Ältesten sinnvoll, diese Maßnahme, quasi innen und außen zu vollenden. Wir bedanken uns bei allen Spendern, die mitgeholfen haben, diese wunderbaren Glocken mit dem althistorischen Glockenstuhl zu erhalten und zu schützen und ihnen eine neue Umhausung zu verleihen. Um weitere Spenden bitten wir Sie herzlichst.